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Der Plan mit dem Samen

Vielleicht war heute der richtige Tag dafür, dachte ich. Die Sonne schien, wie sie es immer tat, aber es war nicht so heiß wie in den letzten Tagen. Es könnte sich vielleicht etwas ergeben. Ich bezahlte für die Menge Wasser und trat aus dem Laden, woraufhin die warme Luft sofort mein Gesicht erwärmte. Wer hätte gedacht, dass es bei der kältesten Jahreszeit einmal so aussehen würde? Die Sommer waren unerträglich heiß und die Winter schon lange keine Winter mehr. Und jedes Jahr wurde es schlimmer. Ich musste seufzen, als ich eine abgemagerte Gruppe Kinder an mir vorbeischlendern sah. Gekleidet waren sie in kurzen Hosen und längst alt aussehenden Oberteilen, jedoch schienen sie nicht unglücklich über die jetzige Situation. Natürlich, die Kleinen fanden immer etwas, worüber sie sich freuen konnten zwischen den ganzen sterbenden Pflanzen und Tierarten, welche sie nie zu Gesicht bekommen haben. Sie sind aufgewachsen, ohne je Schnee zu sehen, dachte ich und wandte mich ab. Mein Blick fiel auf die Bäume, die aus irgendeinem Grund nicht gefällt wurden und gekrümmt auf der anderen Straßenseite standen. Natürlich waren sie ausgetrocknet und hatten keinen Funken Leben mehr in sich, wie auch fast jeder andere Baum, den ich kannte. Mein plötzlicher Husten riss mich aus meinen Gedanken und holte mich zurück in die noch angenehme Wärme. Ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich hinter mich bringen oder mich einfach mal wieder mit einem schlechten Gewissen zurückziehen sollte. Vielleicht war heute der richtige Tag dafür. Ich ging weiter. Vielleicht war heute doch nicht der richtige Tag dafür, dachte ich, als ich meine Gedanken zu sortieren versuchte. Es würden bestimmt viele Familien im „Wald“ sein, einfach um den brühwarmen Tag anders zu erleben, als sie es sonst tun. Die Leute würden mich anstarren, als hätte ich den Verstand verloren, oder sie würden denken, dass ich mir wirklich etwas davon erhoffte. Was ich eigentlich auch tat. Die Abwesenheit meiner Gedanken führte mich letztendlich doch zu dem ehemaligen Wald, welcher mal die lebendigsten und grünsten Bäume beherbergt hatte. Zu dem Ort, vor dem ich mich gedrückt hatte. Vielleicht war heute doch der richtige Tag dafür, dachte ich. Ich erinnerte mich daran, wie perfekt es hier für mich und meine beste Freundin als kleine Mädchen war, denn es gab so viel zu entdecken. Schon die normalen Spaziergänge mit unseren Eltern schienen wie ein Abenteuer für uns. Nun war es nichts weiter als eine Sammlung Baumstümpfe, die sich gegenseitig Schatten zuwarfen und alt und trotzig vor sich hin standen. Ich spürte Reue in mir hochkommen. Es hätte alles anders kommen können, wenn ich ein bisschen mehr nachgedacht hätte. Ich hustete und griff in meine Jackentasche, um nach dem runden Korn zu fühlen, welches ich gestern dort verstaut hatte. Mir war schon klar, dass es zu spät war, aber ich konnte nicht einfach zusehen, wie sich alles ins Schlechte entwickelte und jeder es einfach so hinnahm. Ich spürte die verwirrten Blicke der anderen, als ich behutsam in die Knie ging und den Baumsamen in die trockene, moosartige Erde drückte. Als der Kern darin verschwand, richtete ich mich wieder auf und klopfte meine Hose ab. Es wird sich nichts mehr ändern, wenigstens habe ich aber etwas versucht. Ja, heute war der perfekte Tag dafür gewesen, dachte ich, als ich endlich nach Hause kam. Es verlief nach Plan und ich habe mich nicht von den belastenden Blicken, die mir auf dem Rücken lagen, einschüchtern lassen. Ich setzte die Kanne an der Theke ab und ließ mich auf meinen Sessel fallen. Inzwischen war es dunkel geworden und winzige Sterne waren durch mein Fenster zu sehen. Ich hatte mich schon wieder gehen lassen und nostalgisch die Gegend betrachtet, aber wirklich etwas bewirken konnte ich damit nicht. Was ich nun getan hatte, hätte ich viel früher machen müssen. Ich dachte, ich hätte sowieso nichts ändern können. Ich schüttelte den Kopf und sah zu der Vase auf meiner Kommode, in welcher vor ein paar Monaten noch eine kleine Blume gelebt hatte. Nun war es nur noch ein leeres Gefäß, welches kein Leben mehr in sich barg, aber trotzdem konnte ich mich nicht dazu bringen, sie wegzustellen. Ich war zu der Zeit selbst nicht mal in der Lage dazu, sparsamer zu leben, und hatte einfach so weitergemacht, habe mich von der ganzen Sache nicht beirren lassen. Was genau hätte ich gegen all das tun sollen? Keinen Moment hatte ich daran verschwendet, mir auszumalen, wie ich in der Zukunft leben würde. Ich stand auf und schritt zum Fenster, um mich abzulenken. Die Sterne funkelten und schienen genau wie früher, welches mir die Tränen in die Augen brachte. Wenigstens das ist mir geblieben. Vielleicht ist morgen auch ein perfekter Tag dafür, dachte ich.

Akshaya Anparasan (10fa)